Friedensbewegung fordert SPD-Parteitag zur Ablehnung der Verlängerung des OEF-Mandats auf.
24. Okt 2007
Als Gründe dafür sind für uns die folgenden ausschlaggebend:Erstens: Der UN-Sicherheitsrat hat OEF zu keinem Zeitpunkt ein Mandat erteilt, allerdings hat er den Vereinigten Staaten ein Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UN-Charta zuerkannt. Seit dem 5. Oktober 2001 ist diese Selbstverteidigung für die NATO der Bündnisfall nach Artikel 5 ihres Vertrages. Allerdings und das ist von entscheidender Bedeutung gilt der Zustand der Selbstverteidigung völkerrechtlich nur so lange bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. (Artikel 51 UN-Charta) Der UN-Sicherheitsrat hat am 28.9.2001 umfangreiche Empfehlungen zum Antiterrorkampf gegeben, darin jedoch keine Kampfhandlungen legitimiert, und hat am 20.12.2001 der ISAF ein Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta erteilt. Damit ist das Recht auf individuelle und kollektive Verteidigung der USA und seiner Verbündeten erloschen. Die OEF verfügt spätestens seitdem über keine völkerrechtliche Grundlage. Die Mitgliederversammlung der Neuen Richtervereinigung hat am 3. Februar 2002 eindeutig erklärt:
Weder hatte der Sicherheitsrat die Kriegsallianz ermächtigt oder beauftragt militärisch
vorzugehen, noch lagen die Voraussetzungen für die Ausübung des Notwehrrechts vor. Belege für
einen bevorstehenden Angriff Afghanistans oder mit Unterstützung der Afghanischen Regierung
durch im Lande weilende Terroristen auf die USA sind nicht behauptet worden. Für die Tötung von einigen tausend Zivilisten gibt es keinerlei Rechtfertigung.
Beteiligt sich die Bundeswehr also weiterhin an OEF, handeln ihre Soldaten völkerrechtswidrig.
Wir erinnern daran, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil über die
Gewissensentscheidung des Bundeswehrmajors Florian Pfaff 2005 bestätigte, dass dieser
rechtmäßig gehandelt habe, als er sich weigerte, für den vom Gericht als völkerrechtwidrig
beurteilten US-geführten Irakkrieg Arbeiten durchzuführen.
Zweitens: Der von den USA geführte völkerrechtswidrige OEF-Einsatz als Bestandteil des Bush-
Kriegs gegen den Terror hat seit dem 7. Oktober 2001 ungezählte zivile Opfer gefordert.
Schätzungen gehen allein bis Mai 2002 von bis zu 50.000 aus. Die Formulierung des OEF-Auftrags birgt bereits die Gefahr in sich, dass es zu hohen zivilen Opfern kommt, denn Taliban und Al-Qaida sind nicht von der Zivilbevölkerung unterscheidbar. Deshalb verstößt OEF gegen die Genfer Abkommen von 1949 über den Schutz der Opfer internationaler Konflikte. Dessen Zusatzprotokoll von 1976 räumt dem Schutz der Zivilbevölkerung absolute Priorität ein. Der US-geführte Krieg kann dem nicht gerecht werden.
Drittens: Durch den Krieg gegen den Terror durch OEF hat sich die Sicherheitslage für die
Menschen in Afghanistan drastisch verschlechtert. Die offensiven Einsätze haben insbesondere seit 2006 zu einem starken Anstieg der zivilen Opfer geführt, was den Zulauf zu Al-Qaida und Taliban noch erhöht hat. Das ist als kontraproduktiv zu bewerten. Wir sagen: Krieg ist selbst Terror und erhöht die Gegengewalt. Mit Krieg den Terrorismus besiegen zu wollen, ist die komplett falsche Strategie. Nachdem Al-Qaida Mitte 2002 zerschlagen schien, hat sie sich seitdem offenbar wieder erholt und weiter ausgebreitet. Die vergebliche militärisch geführte OEF-Jagd nach Bin Laden und Al-Zawahiri hat einen Mythos geschaffen, der Al-Qaida gestärkt hat.
Viertens: Wir können keine Belege oder Indizien dafür finden, dass der Krieg gegen den Terror Anschläge verhindert hätte. Eher scheint das Gegenteil der Fall zu sein: Der Krieg dreht die Gewaltspirale immer weiter. Das militärische Vorgehen schürt Wut auf die westliche Politik. Wir müssen feststellen, dass sich die Anschläge auch außerhalb Afghanistans erhöht haben. Das trifft vor allem auf Pakistan zu, jedoch auch auf Europa. Daher sagen wir: Deutschlands Sicherheit wird am Hindukusch nicht verteidigt, sondern aufs Spiel gesetzt.
Fünftens: Der OEF-Einsatz hat laut Antrag der Bundesregierung zum Ziel, Führungs- und
Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu
nehmen und vor Gericht zu stellen sowie Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischer
Aktivitäten abzuhalten. Abgesehen davon, dass wir grundsätzlich der Meinung sind, dass Militär
und Krieg ungeeignete Mittel der Verbrechensbekämpfung sind (und was anderes als ein schweres Verbrechen ist Terrorismus?), weil die Rechtsstaatlichkeit hierfür andere Instrumente hat (Justiz, Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden), möchten wir folgende Fragen stellen:
1) Wie viele Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen sind durch den OEFEinsatz nachprüfbar ausgeschaltet worden. Und wenn tatsächlich welche ausgeschaltet
wurden, wie viele andere sind neu entstanden?
2) Wie viele Terroristen sind im bisherigen Verlauf des OEF-Einsatzes gefangen genommen
und vor Gericht gestellt worden?
3) Inwieweit ist es auch nur annähernd gelungen, durch den sog. Antiterrorkrieg Dritte
dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten abzuhalten? Die spürbare
Zunahme terroristischer Gewalt und die wie Pilze aus dem Boden wachsenden neuen
terroristischen Gruppierungen (in Afghanistan, Pakistan, Usbekistan und vor allem im Irak)
sprechen eine völlig andere Sprache.
Sechstens: Afghanistan ist kein souveränes Land, sondern ein Protektorat der US-geführten NATO, das das Land in vier Sektoren aufgeteilt hat. Vor allem US-Berater sitzen an den Schaltstellen der Macht. Der von den USA massiv unterstützte Präsident Karsai hat den US-Militäreinheiten ein dauerhaftes Bleiberecht in Afghanistan zugebilligt. Karsai verfügt aber über keinerlei Rückhalt in der eigenen Bevölkerung. SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte nach Rückkehr von einer Reise durch Afghanistan gegenüber der Tagesschau, die Karsai-Regierung habe "jegliche Akzeptanz in der Bevölkerung verloren" (tagesschau.de, 12. August 2007).
Die Fremdherrschaft ist der Nährboden, auf dem der afghanische Widerstand wächst - das mussten schon das britische Empire und die Sowjetunion erfahren. Solange die militärische Besatzung anhält, wird es dort keinen Frieden geben. Erst im Frieden ist der Wiederaufbau möglich.
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